Gerhard & Ich

500 Jahre

liegen zwischen ihm und mir. Welche Welt hat Gerhard vor 500 Jahren gesehen?

Im 16. Jahrhundert, der frühen Neuzeit kämpften in Europa die Herrschenden in 31 Kriegen um ihre Vorherrschaft. Viele kleine Fürstentümer sowie Grafschaften mussten die andauernden politischen Veränderungen hinnehmen. Die Gesellschaftsstruktur zwischen Adel und Bürgertum änderte sich allmählich und Hoheitsrechte, sowie Feudalismus wurden durch Geldmangel geschwächt. Die ländliche Bevölkerung litt Not durch Frondienste und Abgaben. Die absolutistisch geprägte katholische Kirche war materialistisch. Durch die Inquisition sowie den Ablasshandel sah sich Martin Luther 1517 veranlasst, seine 95 Thesen zu schreiben, diese wurden zum Auslöser für Reformationen in ganz Europa. Bauernaufstände erreichten einen Höhepunkt. In England wurde das zweite Schisma, durch den Anglikanismus und der Lehre von Johannes Calvin ausgelöst. Neue Glaubensgemeinschaften entstanden überall. Von 1520 bis 1566 wurde das „Christliche Abendland“ in der Ersten Wiener Türkenbelagerung bedroht und erst eine ungeheure Anstrengung vieler Staaten beendete diese. Im Renaissance-Zeitalter entwickelten sich erstmals Kunst, Medizin und anderen Wissenschaften wie wir sie heute kennen. Der Humanismus in der Philosophie wurde zur tragenden Rolle in der Übergangsepoche zur frühen Neuzeit. Kurz die Welt war im Umbruch – ein Paradigmenwechsel fand statt.

Ein Paradigmenwechsel – Eine Parallele

hier kann ich anknüpfen. Ich weiß wie jemand sich fühlen kann angesichts einer radikalen Veränderung all dessen was einigermassen vertraut schien. Als Kind des 20. Jahrhunderts blicke ich 2012 auf eine Welt in der wir „Irgendwo“ angekommen sind aber keinerlei Perspektive nach „wohin jetzt“ auszumachen ist. Das Projekt Humanismus ist abgeschlossen, das Individuum ist frei und bestimmt den Lauf den Lauf der Dinge. Gott ist längstens verstorben und damit ist die Welt, der Mensch und seine Projekte endlich geworden. Die großen hierarchischen Projekte – basierend auf 3 industriellen Revolutionen – sind zusammengebrochen und verursachten den völligen Vertrauensverlust der Menschen heute – politisch, ethisch, sozial und institutionell. Diese neue Endlichkeit war noch niemals für jeden am eigenen Leib so spürbar wie heute angesichts der Krisen, die überhaupt erst begonnen haben.

Unendlichkeit – Endlichkeit

Ich bin überzeugt davon, dass Gerhard Mercator und die Menschen seiner Zeit im Denken, Erfinden und Vorstellen stets die Unendlichkeit im Blick hatten. Ihre Prämissen – politisch, ethisch, sozial und institutionell – bezogen eine geistige Sphäre als ganz selbstverständlich mit ein. Gerhard war Kosmograph, ein Berufsbild, dass wir nicht mehr kennen. Kosmographie: die Wissenschaft von der Beschreibung der Erde und des Weltalls. Die Arbeiten der Kosmografen enthielten historische und spirituelle Aspekte. Sie loteten das Verhältnis des Menschen zu seiner Welt aus. Dabei spielen Sternenkonstellationen eine bedeutende Rolle auch für Mercator. Er hörte noch die Spährenklänge erforschte sie aber auf neue Weise. Für ihn war die Materie, die Natur, das Universum beseelt. Er und seine Zeitgenossen lebten in dem langsam aufkeimenden Bewusstsein, dass der menschliche Geist – die Vernunft nicht etwa Teufelswerk waren sondern vielmehr eine Auszeichnung, die zu nutzen nichts länger im Wege stand.
Ich hingegen blicke auf einen Scherbenhaufen großartiger Projekte deren Zeit abgelaufen ist:

  • vom menschlichem Geist und seiner Vernunft bleibt heute nur Kalkül und Sachzwang übrig.
  • von beseelter Natur ist nur ihre geringste Ausscheidung: der Materieklumpen in Form von Kühen, Plantagen, Meeresfrüchten, Menschen zu jedweder Verwendung in jedweder Form freigegeben.
  • aus der Unendlichkeit des Geistigen im Weltall ist Endlichkeit geworden, weil die Grenze des Vorstellbaren, der Mensch selber geworden ist. Diese Grenze ist eng und viel gutes kann gegenwärtig von dort nicht kommen.

Der Plastische Prozess

Ich habe begonnen mich in einen solchen Prozess zu begeben. Zunächst denkend und fühlend, mich Gerhard Mercator zu nähern. Denken ist ein unsichtbarer plastischer Prozess, eine Formung nach Innen, eine Formung in einen Geistraum hinein. Erste innere Bilder entstanden. Heute, mit diesem Schreiben, dem manifest werden des noch Ungeformten, kann ich die Eckpunkte dessen was werden will skizzieren: Im definierten Zeitraum vom 2.-18.3.2012 will ich eine Installation bauen, die eine Verbindung zwischen meiner Gegenwart und die des Mercators im 16. Jahrhundert schafft und einen Zukunftsaspekt projezieren will. In diesem Zeitraum will ich aus dem konkret, in den zur Verfügung stehenden Materialien, den Gedanken – die geistige Substanz, die sich anlässlich des Jubiläumsjahres von Mercator an diesem Ort versammeln und den Materialien und geistigen Substanzen die ich hinzugebe, durch einen plastischen Prozess eine Transformation bewirken, aus dem formlosen Vorgefundenen zum oben gekennzeichneten „Bild“.

Material voraussichtlich

Kupfer Erde Licht Monitor Kristall Substanzgruppe

inzwischen dazugekommen:

interessierte Künstler Kollegen,
Maria Neumann,
Vera Koppehel,
Tom Liwa
&
Hiob,
„Der ganze Riemen“,
Cyan,
Zeit

wird fortgesetzt…

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